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Modulares Immobiliencontrolling
Immobilienanlagen institutioneller Anleger sind heute international diversifiziert und werden aktiv gesteuert. Die Anlagestrategien nutzen Trends und Marktzyklen, taktische Entscheidungen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Halteformen der einzelnen Assets sind vielfältig. Beteiligungen, Holdings und Objektgesellschaften ergänzen die klassische Direktanlage. Aus organisatorischen, rechtlichen, steuerlichen oder bilanziellen Gründen werden komplexe, mehrstufige Portfoliostrukturen geschaffen, welche nicht nur immobilienbezogen, sondern auch auf einer übergreifenden Finanzebene optimiert sind.
Bei komplexen, internationalen Konstruktionen und Strategien auf dem Niveau von „Value Added“ und „Opportunistic“ ist grundsätzlich ein erheblich erweiterter Kontroll- und Planungsaufwand anzunehmen. Aber auch bei einer weniger aufwändigen Struktur – etwa einem Portfolio aus zehn Büroimmobilien im Inland – kann nicht einfach eine gleichmäßige, vorhersehbare Entwicklung von Cash Flows und Werten vorausgesetzt werden. Chancen und Risiken sind stets vorhanden und ändern sich laufend in ihrer Art und Ausprägung. Das Portfoliomanagement muss diese Faktoren erkennen und darauf reagieren. Weitreichende Entscheidungen können nicht „aus dem Bauch heraus“ getroffen werden. Hohe Anlagevermögen und die Verantwortung gegenüber Anlegern verlangen, dass der beauftragte Portfoliomanager konsistente Strategien verfolgt, Informationen erhebt, Daten aufbereitet und Alternativen mit Tools und Kennzahlen bewertet. Die im zeitgemäß ausgestalteten Management-System erreichte Transparenz unterstützt nicht nur die eigene Tätigkeit, sondern bildet zudem eine wichtige Grundlage für die Kommunikation im gesamten internen Immobilien-Team sowie mit allen externen Partnern.
Mögliche Maßnahmen und Entscheidungen zur Optimierung des Portfolios können nicht mit „Trial and Error“-Methoden getestet werden. Dazu sind die jeweiligen Vermögenswerte zu hoch und die notwendigen Beobachtungszeiträume zu lang (Stichwörter: Unteilbarkeit der Assets, Time Lags, mehrjährige Zyklen). Vielmehr müssen Alternativen hinsichtlich ihres Erfolgs- und Risikobeitrages vorab bewertet werden. Dies setzt ein gewisses fachliches und organisatorisches Know How voraus. Die Bewertungsmethoden sollten nicht nur einzeln betrachtet fundiert sein, sondern auch in das Gesamtunternehmen bzw. das Portfoliomanagement integriert werden.
Als Subsystem (Teilbereich) des Managements unterstützt
das Immobiliencontrolling zentrale Führungsaufgaben wie Planung, Steuerung,
Kontrolle und Informationsversorgung. Letztendlich geht es hierbei meist um die
kontinuierliche Auswertung von Informationen sowie die Generierung von Berichten
und Empfehlungen im Sinne der definierten Ziele. Grundsätzlich werden alle
strategischen Ziele extern gesetzt, d.h. von den jeweiligen Eigentümern des
Portfolios vorgegeben (z.B. hohe laufende Ausschüttung, Wertsteigerung,
Sicherheit, teilweise auch Image-Ziele wie Tätigkeit im
„Prime Segment“).
In der praktischen Umsetzung wird es häufig notwendig sein, dass das Management die Eigentümerziele teilweise annimmt bzw. weiter interpretiert. Dies ist regelmäßig bei einem heterogenen Anlegerkreis der Fall, etwa bei AGs, REITs und Offenen Immobilienfonds. Darüber hinaus sind Rahmenbedingungen wie Gesetze und Vorgaben (z.B. der Finanzaufsicht) zu beachten.
Immobiliencontrolling beschäftigt sich nicht als einzige
Instanz im Unternehmen mit der Erstellungen von Analysen, Kennzahlen und
Empfehlungen. Oftmals wird nicht einmal eine Abteilung „Immobiliencontrolling“
oder „Portfoliocontrolling“ zu finden sein. Je nach Organisationsstruktur sind
jedoch zahlreiche andere Bereiche wie Risikomanagement, Reporting,
Rechnungswesen, Portfoliomanagement, Asset Management, Marktanalyse, Research,
Einkauf, Transaktionsmanagement, Finanzplanung, taktische Portfoliosteuerung und
andere vorzufinden. Bei der genaueren Betrachtung der jeweiligen Stellen zeigen
sich schnell Überschneidungen, Wechselwirkungen und Ergänzungen zum
Aufgabenbereich des Immobiliencontrolling. Für die Wirksamkeit des System ist
diese individuelle Stellenzuordnung nicht so entscheidend. Wichtig ist vielmehr,
dass ein Gesamtkonzept zum
Immobilien- und Portfoliocontrolling existiert und dieses auch organisatorisch
umgesetzt wird.
Aufgrund der Heterogenität von Immobilienportfolios und Managementsystemen kann die Literatur keinen vollständigen und allgemeingültigen Controllingstandard vorgeben. In den verfügbaren theoretischen Grundlagen zum Immobiliencontrolling werden jedoch wichtige Abgrenzungen vorgenommen, zentrale Begriff definiert und notwendige Entwicklungsschritte (z.B. über einen Top-Down-Ansatz) beschrieben.
Allgemein gesehen, schafft das Immobiliencontrolling ein
Informationsverarbeitungssystem, welches die Immobilie bzw. das Portfolio
ganzheitlich und kontinuierlich erfasst, Abweichungen von Zielvorgaben erkennt
und alternative Lösungsmöglichkeiten beurteilt. Immobiliencontrolling lässt
sich grundsätzlich nicht auf Einzelaktivitäten beschränken, sondern es muss zu
einer logischen, geschlossenen Gesamtkonzeption ausgebaut werden. Innovatives
Controlling orientiert sich heute nicht mehr an der Abarbeitung traditioneller
Kostenrechnungsmodelle, sondern stellt die vom Management benötigten internen
Beratungs- und Serviceleistungen flexibel und in einer hohen Qualität bereit.
Ausgangspunkt sind immer die vorgegebenen, i.d.R. langfristigen Eigentümerziele.
Immobilien werden in der Betrachtung entsprechend instrumentalisiert. In diesem
Sinne ist Immobiliencontrolling ein ganzheitliches
System zur Durchsetzung von Eigentümerzielen, welches selbständig und
kontinuierlich bei Immobilien unter Beachtung ihres Umfeldes entsprechende
Informations-, Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben entwickelt und
wahrnimmt.
Immobiliencontrolling installiert im Management einen ganzheitlichen Informationsverarbeitungsprozess. Dieser vernetzt die existierenden System-Elemente wie Funktionen, Aufgaben, Daten, Prozesse und Instrumente. Es entsteht ein kontinuierlich ablaufender Algorithmus folgender Art:
Beobachtung von Eigenschaften der Immobilie
selbst, des Managements
sowie des Umfeldes
Generierung von Signalen bzw. Empfehlungen in Form
von Kennzahlen,
Daten, Charts und Berichten
Ableitung und Bewertung von Entscheidungsalternativen unter Einbeziehung von Vorgaben des Eigentümers und weiterer relevanter Rahmenbedingungen
Umsetzung von Maßnahmen zur Veränderung der Immobilien, der Portfoliostruktur, des Managements und in Ausnahmefällen auch des Umfeldes
Unternehmensspezifische Controllingsysteme werden in
Implementierungsprojekten entwickelt. Dabei werden allgemeine Konzepte und
Standards so konkretisiert, dass sie vorgegebene Ziele und Rahmenbedingungen
bestmöglich unterstützen. Zu
beachten sind dabei die Ressourcen, welche für die Entwicklung und den laufenden
Betrieb des Systems überhaupt zur Verfügung stehen. Controllingsysteme sind
daher immer Unikate.
Der Ausschluss eines universell einsetzbaren Controllingsystems muss jedoch nicht die grundsätzliche Abkehr von jeglicher Standardisierung bedeuten. Eine Lösung bilden vordefinierte Controllingmodule, welche die geforderte Qualität mit der notwendigen Flexibilität vereinbaren. Controllingmodule stellen ausgereifte Lösungen für abgegrenzte Teilprobleme dar. Geeignete Module werden im jeweiligen Anwendungsfall aus einer „Controlling-Tool-Box“ selektiert und zu einem individuellen Controllingsystem kombiniert.
Abbildung: Generierung von Controllingsystemen aus einer Modulsammlung („Controlling-Tool-Box“)
Eine solche Controlling-Tool-Box entsteht durch
Kombination wissenschaftlicher Studien, praxisnaher Fachkonzeptionen,
marktgängiger Softwareanwendungen, verfügbarer Datenbanken und
spezifischer Beratungsangebote. Inhaltlich bietet sie dem
Portfoliomanagement und Controlling eine Auswahl an Basismodulen und
Spezialmodulen an.
Basismodule unterstützen grundlegende Funktionen und Prozesse. Sie werden daher in den meisten Controllingsystemen eingesetzt. Dazu zählen u.a. Kennzahlensysteme, DCF-Rechnungen, Bewertungsverfahren und Benchmarking-Systeme.
Spezialmodule können je nach Situation und Bedarf das
Basissystem ergänzen. Eine Gesamtaussage zum Risiko des Portfolios lässt sich
z.B. mittels Checklisten, Scoring-Modellen, Monte Carlo-Simulationen oder
Value-At-Risk-Modellen erzeugen. Hierbei besteht eine gewisse Wahlfreiheit. Die
Entscheidung wird u.a. von der Zielstellung, der Interpretierbarkeit (Know How)
und den Ressourcen (Software, Daten, Personal) beeinflusst. Andere Spezialmodule
werden vielleicht nur in besonderen Situationen benötigt (z.B. Conjoint-Aalysen
zur Produktoptimierung) oder setzen bestimmte Vorsysteme voraus (z.B. Balanced
Scorecard als übergreifender
Kennzahlenspiegel und unternehmensweites Steuerungsinstrument).
Auf einer ersten Stufe präsentieren grundlegende Publikationen zum Immobiliencontrolling ganzheitliche Konzeptionen, welche sich am Lebenszyklus der Immobilie orientieren oder den Aspekt der Informationsverarbeitung in den Vordergrund stellen. Hinsichtlich der generellen Konzeption, der Entwicklungsschritte und möglicher Ausbaustufen sei auf diese Grundlagenwerke verwiesen. Insofern kann hier auf eine weitergehende Einführung und Gesamtdarstellung zum Immobiliencontrolling verzichtet werden. Neben den immobilienspezifischen Quellen ist immer auch die Lektüre allgemeiner Controlling-Literatur zu empfehlen. Die grundlegende Philosophie des Controllings aber auch zahlreiche Ansätze und Instrumente können durchaus auf den Immobilienbereich übertragen werden. Häufig entstehen auf diesem Weg neue Lösungen und Innovationen.
Die hier weitergeführte Reihe „Moderne Instrumente des
Immobiliencontrollings“ widmet sich spezifischen Modulen. Diese werden jeweils
einzeln und umfassend behandelt, dabei jedoch stets im Gesamtkontext gesehen. Im
Band I stellten wir mit der „DCF-Bewertung“ und dem „Kostenbenchmarking“ zwei
erste Module vor. Das erste Modul zeigte die schlüssige Ableitung eines am Cash Flow orientierten
Ertragswertverfahrens ausgehend vom klassischen Ertragswertverfahren nach WertV
(Ansatz der Nachhaltigkeit). Dabei zeigte sich, dass die Ergebnisse deutscher
und angelsächsischer Verfahren – eine entsprechende Umrechnung der Parameter
vorausgesetzt – durchaus identisch sein können. Für diverse Fälle wurden Mängel
der WertV-Ansätze nachgewiesen. Das zweite Modul „Kostenbenchmarking“ umfasste
eine Fachkonzeption zur Erfassung, Analyse und Optimierung von
Bewirtschaftungskosten. Dabei wurde eine Lösung entwickelt, welche die beiden
Controllinginstrumente „Kennzahlensystem“ und „Benchmarking“ miteinander
kombiniert. Es zeigte sich, dass eine zielgerichtete Auswertung von
Großbeständen (z.B. Wohnportfolios) nur mit Hilfe mehrstufiger Kennzahlensysteme
möglich ist. Entscheidend sind Definitionen und Normierungen. Eine Aussage
entsteht, wenn qualitative Aspekte (z.B. Lage, Architektur, Ausstattung) und
quantitative Ergebnisse (z.B. diverse Kostenarten) über Ursache-Wirkungs-Ketten
in Beziehung gesetzt
werden. Erst über Gewichtungen oder den Vergleich homogener Cluster erhält der
Kostenmanager Auswertungen, welche die exakte Identifikation kritischer Objekte
bieten. Speziell diese können dann zielgerichtet geprüft und optimiert werden.
Zum ersten Band erhielten wir zahlreiche Reaktionen,
Fragen und Anregungen. Gleichzeitig hatten wir die Gelegenheit, weitere
spannende Entwicklungsprojekte im Bereich Controlling- und Portfoliomanagement
zu begleiten. Häufig ging es dabei um Informationsdefizite, welche sich gerade
bei komplexen nationalen und internationalen Portfolios zeigen. Ein
aussagefähiges Reporting ist natürlich stets gewünscht, scheitert praktisch aber
oft an inhaltlichen, technischen oder organisatorischen
Umsetzungsproblemen. Dafür ganzheitliche Lösungen zu finden, war Aufgabe
wissenschaftlicher Studien und individuelller Praxisprojekte, z.B. bei Banken,
Versicherungen und Fondsgesellschaften.
Die generellen, projektübergreifenden Erkenntnisse bildeten die Ausgangsbasis für dieses Buch. Grundsätzlich geht es um die Entwicklung eines Reportingsystems. Die Beispiele gehen von einem größeren internationalen Portfolio aus. Bei den einzelnen Assets und Teilportfolios werden insbesondere Objektgesellschaften und Holdings betrachtet. Aus diesen zusätzlichen Strukturen ergeben sich besondere Aufgaben an die Analyse sowie ein besonderer Organisations- und Reportingbedarf. Insgesamt entsteht ein mehrstufiges Reporting-Modell. Der Datenfluss geht von der Immobilienebene (Property Management) aus, berücksichtigt diverse Zwischenstufen wie Objektgesellschaften und Holdings (Asset Management) und ermöglicht schließlich Auswertungen auf der Fondsebene (Portfoliomanagement).
Der mehrstufige Ansatz geht von einer komplexeren Portfoliostruktur aus und zeigt dafür Entwicklungsansätze und Fachkonzepte zum Reporting. Diese stehen beispielhaft und gehen punktuell auf besonders kritische Aspekte ein. Das vermittelte Vorgehensmodell bereitet die individuelle Umsetzung im jeweiligen Unternehmen durch Hintergrundwissen und einen theoretischen Rahmen vor. Gleichzeitig soll dieses Buch jedoch nicht einschränkend wirken. Auf zu enge Vorgaben, etwa eine Sammlung fertiger Berichts-Layouts, wurde daher bewusst verzichtet.
Das Modell bleibt skalierbar. Möglich ist eine
Reduzierung für kleinere Fonds und
Direktanlagen. Für „exotische“ Konstellationen, etwa Partnerschaften und
Überkreuzbeteiligungen sind eventuell weitere Ausbaustufen notwendig.
Die generelle Entwicklungsstrategie sollte anhand des
gezeigten Grundmodells
sowie der Beispielfälle deutlich werden: Wichtig auf der strategischen
Controlling-Ebene sind klare und effiziente Strukturen. Im Detail müssen alle
verwendeten Daten und Kennzahlen exakt definiert werden. Eine sinnvolle und
sichere Nutzung der Ergebnisse wäre andernfalls kaum möglich. In einem Exkurs
werden die vielfältigen Varianten und Wirkungen am Beispiel der Kennzahl
"Effektivmiete" ausführlich und nachvollziehbar präsentiert.
Das hier vorgestellten „Modul“ des Immobiliencontrollings soll keine Insellösung erzeugen. Übergeordnetes Entwicklungsziel bleibt ein ganzheitliches Controllingsystem für Immobilienportfolios. Das Reporting kann davon nur einige Aspekte abdecken. Perspektivisch ist die Controlling-Tool-Box um weitere Module zu ergänzen. Wir werden weiter daran arbeiten.
Wir würden uns freuen, wenn unsere Reihe bei
Immobiliencontrollern, Investoren, Fondsmanagern, Beratern, Softwareanbietern
und allen anderen Interessierten eine interessierte und kritische Leserschaft
findet. Sicher sind einige Ideen neu und noch nicht abschließend getestet.
Andere Rahmenbedingungen werden weitergehende Lösungen erfordern. Unter
www.immobiliencontrolling.de werden wir gern über
weitere, aktuelle Studien berichten.
Wir wünschen Ihnen eine angenehme und nützliche Lektüre.
Über einen regen
Austausch zu Erfahrungen und Ideen würden wir uns freuen.
Steffen Metzner,
Meike Opfermann, Doreen Witzel
Leipzig, Sommer 2008
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