Moderne Instrumente des Immobiliencontrollings II:
Kennzahlenorientiertes Portfolio-Reporting für Objektgesellschaften und Direktanlagen

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Vorwort

Modulares Immobiliencontrolling

Immobilienanlagen institutioneller Anleger sind heute international diversifiziert und werden aktiv gesteuert. Die Anlagestrategien nutzen Trends und Marktzyklen, taktische Entscheidungen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Halteformen der einzelnen Assets sind vielfältig. Beteiligungen, Holdings und Objektgesellschaften ergänzen die klassische Direktanlage. Aus organisatorischen, rechtlichen, steuer­lichen oder bilanziellen Gründen werden komplexe, mehrstufige Portfoliostrukturen geschaffen, welche nicht nur immobilienbezogen, sondern auch auf einer übergreifenden Finanzebene optimiert sind.

Bei komplexen, internationalen Konstruktionen und Strategien auf dem Niveau von „Value Added“ und „Opportunistic“ ist grundsätzlich ein erheblich erweiterter Kontroll- und Planungsaufwand anzunehmen. Aber auch bei einer weniger aufwändigen Struktur – etwa einem Portfolio aus zehn Büroimmobilien im Inland – kann nicht einfach eine gleichmäßige, vorhersehbare Entwicklung von Cash Flows und Werten vorausgesetzt werden. Chancen und Risiken sind stets vorhanden und ändern sich laufend in ihrer Art und Ausprägung. Das Portfoliomanagement muss diese Faktoren erkennen und darauf reagieren. Weitreichende Entscheidungen können nicht „aus dem Bauch heraus“ getroffen werden. Hohe Anlagevermögen und die Verantwortung gegenüber Anlegern verlangen, dass der beauftragte Portfoliomanager konsistente Strategien verfolgt, Informationen erhebt, Daten aufbereitet und Alternativen mit Tools und Kennzahlen bewertet. Die im zeitgemäß ausgestalteten Management-System erreichte Transparenz unterstützt nicht nur die eigene Tätigkeit, sondern bildet zudem eine wichtige Grundlage für die Kommunikation im gesamten internen Immobilien-Team sowie mit allen externen Partnern.

Mögliche Maßnahmen und Entscheidungen zur Optimierung des Portfolios können nicht mit „Trial and Error“-Methoden getestet werden. Dazu sind die jeweiligen Vermögenswerte zu hoch und die notwendigen Beobachtungszeiträume zu lang (Stichwörter: Unteilbarkeit der Assets, Time Lags, mehrjährige Zyklen). Vielmehr müssen Alternativen hinsichtlich ihres Erfolgs- und Risikobeitrages vorab bewertet werden. Dies setzt ein gewisses fachliches und organisatorisches Know How voraus. Die Bewertungsmethoden sollten nicht nur einzeln betrachtet fundiert sein, sondern auch in das Gesamtunternehmen bzw. das Portfoliomanagement integriert werden.

Als Subsystem (Teilbereich) des Managements unterstützt das Immobiliencontrolling zentrale Führungsaufgaben wie Planung, Steuerung, Kontrolle und Informationsversorgung. Letztendlich geht es hierbei meist um die kontinuierliche Auswertung von Informationen sowie die Generierung von Berichten und Empfehlungen im Sinne der definierten Ziele. Grundsätzlich werden alle strategischen Ziele extern gesetzt, d.h. von den jeweiligen Eigentümern des Portfolios vorgegeben (z.B. hohe laufende Ausschüttung, Wertsteigerung, Sicherheit, teilweise auch Image-Ziele wie Tätigkeit im
„Prime Segment“).

In der praktischen Umsetzung wird es häufig notwendig sein, dass das Management die Eigentümerziele teilweise annimmt bzw. weiter interpretiert. Dies ist regelmäßig bei einem heterogenen Anlegerkreis der Fall, etwa bei AGs, REITs und Offenen Immobilienfonds. Darüber hinaus sind Rahmenbedingungen wie Gesetze und Vorgaben (z.B. der Finanzaufsicht) zu beachten.

Immobiliencontrolling beschäftigt sich nicht als einzige Instanz im Unternehmen mit der Erstellungen von Analysen, Kennzahlen und Empfehlungen. Oftmals wird nicht einmal eine Abteilung „Immobiliencontrolling“ oder „Portfoliocontrolling“ zu finden sein. Je nach Organisationsstruktur sind jedoch zahlreiche andere Bereiche wie Risikomanagement, Reporting, Rechnungswesen, Portfoliomanagement, Asset Management, Marktanalyse, Research, Einkauf, Transaktionsmanagement, Finanzplanung, taktische Portfoliosteuerung und andere vorzufinden. Bei der genaueren Betrachtung der jeweiligen Stellen zeigen sich schnell Überschneidungen, Wechselwirkungen und Ergänzungen zum Aufgabenbereich des Immobilien­controlling. Für die Wirksamkeit des System ist diese individuelle Stellenzuordnung nicht so entscheidend. Wichtig ist vielmehr, dass ein Gesamtkonzept zum
Immobilien- und Portfoliocontrolling existiert und dieses auch organisatorisch umgesetzt wird.

Aufgrund der Heterogenität von Immobilienportfolios und Managementsystemen kann die Literatur keinen vollständigen und allgemeingültigen Controllingstandard vorgeben. In den verfügbaren theoretischen Grundlagen zum Immobiliencontrolling werden jedoch wichtige Abgrenzungen vorgenommen, zentrale Begriff definiert und notwendige Entwicklungsschritte (z.B. über einen Top-Down-Ansatz) beschrieben.

Allgemein gesehen, schafft das Immobiliencontrolling ein Informationsverarbeitungssystem, welches die Immobilie bzw. das Portfolio ganzheitlich und kontinuierlich erfasst, Abweichungen von Zielvorgaben erkennt und alternative Lösungsmöglich­keiten beurteilt. Immobiliencontrolling lässt sich grundsätzlich nicht auf Einzelaktivitäten beschränken, sondern es muss zu einer logischen, geschlossenen Gesamtkonzeption ausgebaut werden. Innovatives Controlling orientiert sich heute nicht mehr an der Abarbeitung traditioneller Kostenrechnungsmodelle, sondern stellt die vom Management benötigten internen Beratungs- und Serviceleistungen flexibel und in einer hohen Qualität bereit. Ausgangspunkt sind immer die vorgegebenen, i.d.R. langfristigen Eigentümerziele. Immobilien werden in der Betrachtung entsprechend instrumentalisiert. In diesem Sinne ist Immobiliencontrolling ein ganzheitliches
System zur Durchsetzung von Eigentümerzielen, welches selbständig und
konti­nuierlich bei Immobilien unter Beachtung ihres Umfeldes entsprechende Informations-, Planungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben entwickelt und wahrnimmt.

Immobiliencontrolling installiert im Management einen ganzheitlichen Informationsverarbeitungsprozess. Dieser vernetzt die existierenden System-Elemente wie Funktionen, Aufgaben, Daten, Prozesse und Instrumente. Es entsteht ein kontinuierlich ablaufender Algorithmus folgender Art:

  1. Beobachtung von Eigenschaften der Immobilie selbst, des Managements
    sowie des Umfeldes

  2. Generierung von Signalen bzw. Empfehlungen in Form von Kennzahlen,
    Daten, Charts und Berichten

  3. Ableitung und Bewertung von Entscheidungsalternativen unter Einbeziehung von Vorgaben des Eigentümers und weiterer relevanter Rahmenbedingungen

  4.  Umsetzung von Maßnahmen zur Veränderung der Immobilien, der Portfolio­struktur, des Managements und in Ausnahmefällen auch des Umfeldes

Unternehmensspezifische Controllingsysteme werden in Implementierungsprojekten entwickelt. Dabei werden allgemeine Konzepte und Standards so konkretisiert, dass sie vorgegebene Ziele und Rahmenbedingungen bestmöglich unterstützen. Zu
beachten sind dabei die Ressourcen, welche für die Entwicklung und den laufenden Betrieb des Systems überhaupt zur Verfügung stehen. Controllingsysteme sind daher immer Unikate.

Der Ausschluss eines universell einsetzbaren Controllingsystems muss jedoch nicht die grundsätzliche Abkehr von jeglicher Standardisierung bedeuten. Eine Lösung bilden vordefinierte Controllingmodule, welche die geforderte Qualität mit der notwendigen Flexibilität vereinbaren. Controllingmodule stellen ausgereifte Lösungen für abgegrenzte Teilprobleme dar. Geeignete Module werden im jeweiligen Anwendungsfall aus einer „Controlling-Tool-Box“ selektiert und zu einem individuellen Controllingsystem kombiniert.

Abbildung:  Generierung von Controllingsystemen aus einer Modulsammlung („Controlling-Tool-Box“)

 

Eine solche Controlling-Tool-Box entsteht durch Kombination wissenschaftlicher Studien, praxisnaher Fachkonzeptionen, marktgängiger Softwareanwendungen, verfügbarer Datenbanken und spezifischer Beratungsangebote. Inhaltlich bietet sie dem Portfoliomanagement und Controlling eine Auswahl an Basismodulen und
Spezialmodulen an.

Basismodule unterstützen grundlegende Funktionen und Prozesse. Sie werden daher in den meisten Controllingsystemen eingesetzt. Dazu zählen u.a. Kennzahlen­systeme, DCF-Rechnungen, Bewertungsverfahren und Benchmarking-Systeme.

Spezialmodule können je nach Situation und Bedarf das Basissystem ergänzen. Eine Gesamtaussage zum Risiko des Portfolios lässt sich z.B. mittels Checklisten, Scoring-Modellen, Monte Carlo-Simulationen oder Value-At-Risk-Modellen erzeugen. Hierbei besteht eine gewisse Wahlfreiheit. Die Entscheidung wird u.a. von der Zielstellung, der Interpretierbarkeit (Know How) und den Ressourcen (Software, Daten, Personal) beeinflusst. Andere Spezialmodule werden vielleicht nur in besonderen Situationen benötigt (z.B. Conjoint-Aalysen zur Produktoptimierung) oder setzen bestimmte Vorsysteme voraus (z.B. Balanced Scorecard als übergreifender
Kennzahlenspiegel und unternehmensweites Steuerungsinstrument).

Auf einer ersten Stufe präsentieren grundlegende Publikationen zum Immobilien­controlling ganzheitliche Konzeptionen, welche sich am Lebenszyklus der Immobilie orientieren oder den Aspekt der Informationsverarbeitung in den Vordergrund stellen. Hinsichtlich der generellen Konzeption, der Entwicklungsschritte und möglicher Ausbaustufen sei auf diese Grundlagenwerke verwiesen. Insofern kann hier auf eine weitergehende Einführung und Gesamtdarstellung zum Immobiliencontrolling verzichtet werden. Neben den immobilienspezifischen Quellen ist immer auch die Lektüre allgemeiner Controlling-Literatur zu empfehlen. Die grundlegende Philosophie des Controllings aber auch zahlreiche Ansätze und Instrumente können durchaus auf den Immobilienbereich übertragen werden. Häufig entstehen auf diesem Weg neue Lösungen und Innovationen.

Die hier weitergeführte Reihe „Moderne Instrumente des Immobiliencontrollings“ widmet sich spezifischen Modulen. Diese werden jeweils einzeln und umfassend behandelt, dabei jedoch stets im Gesamtkontext gesehen. Im Band I stellten wir mit der „DCF-Bewertung“ und dem „Kostenbenchmarking“ zwei erste Module vor. Das erste Modul zeigte die schlüssige Ableitung eines am Cash Flow orientierten Ertragswert­verfahrens ausgehend vom klassischen Ertragswertverfahren nach WertV (Ansatz der Nachhaltigkeit). Dabei zeigte sich, dass die Ergebnisse deutscher und angelsächsischer Verfahren – eine entsprechende Umrechnung der Parameter vorausgesetzt – durchaus identisch sein können. Für diverse Fälle wurden Mängel der WertV-Ansätze nachgewiesen. Das zweite Modul „Kostenbenchmarking“ umfasste eine Fachkonzeption zur Erfassung, Analyse und Optimierung von Bewirtschaftungskosten. Dabei wurde eine Lösung entwickelt, welche die beiden Controllinginstrumente „Kennzahlensystem“ und „Benchmarking“ miteinander
kombiniert. Es zeigte sich, dass eine zielgerichtete Auswertung von Großbeständen (z.B. Wohnportfolios) nur mit Hilfe mehrstufiger Kennzahlensysteme möglich ist. Entscheidend sind Definitionen und Normierungen. Eine Aussage entsteht, wenn qualitative Aspekte (z.B. Lage, Architektur, Ausstattung) und quantitative Ergebnisse (z.B. diverse Kostenarten) über Ursache-Wirkungs-Ketten in Beziehung gesetzt
werden. Erst über Gewichtungen oder den Vergleich homogener Cluster erhält der Kostenmanager Auswertungen, welche die exakte Identifikation kritischer Objekte bieten. Speziell diese können dann zielgerichtet geprüft und optimiert werden.

Zum ersten Band erhielten wir zahlreiche Reaktionen, Fragen und Anregungen. Gleichzeitig hatten wir die Gelegenheit, weitere spannende Entwicklungsprojekte im Bereich Controlling- und Portfoliomanagement zu begleiten. Häufig ging es dabei um Informationsdefizite, welche sich gerade bei komplexen nationalen und internationalen Portfolios zeigen. Ein aussagefähiges Reporting ist natürlich stets gewünscht, scheitert praktisch aber oft an inhaltlichen, technischen oder organi­sa­torischen
Umsetzungsproblemen. Dafür ganzheitliche Lösungen zu finden, war Aufgabe
wissenschaftlicher Studien und individuelller Praxisprojekte, z.B. bei Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften.

Die generellen, projektübergreifenden Erkenntnisse bildeten die Ausgangsbasis für dieses Buch. Grundsätzlich geht es um die Entwicklung eines Reportingsystems. Die Beispiele gehen von einem größeren internationalen Portfolio aus. Bei den einzelnen Assets und Teilportfolios werden insbesondere Objektgesellschaften und Holdings betrachtet. Aus diesen zusätzlichen Strukturen ergeben sich besondere Aufgaben an die Analyse sowie ein besonderer Organisations- und Reportingbedarf. Insgesamt entsteht ein mehrstufiges Reporting-Modell. Der Datenfluss geht von der Immobilienebene (Property Management) aus, berücksichtigt diverse Zwischenstufen wie Objektgesellschaften und Holdings (Asset Management) und ermöglicht schließlich Auswertungen auf der Fondsebene (Portfoliomanagement).  

Der mehrstufige Ansatz geht von einer komplexeren Portfoliostruktur aus und zeigt dafür Entwicklungsansätze und Fachkonzepte zum Reporting. Diese stehen beispielhaft und gehen punktuell auf besonders kritische  Aspekte ein. Das vermittelte Vorgehensmodell bereitet die individuelle Umsetzung im jeweiligen Unternehmen durch Hintergrundwissen und einen theoretischen Rahmen vor. Gleichzeitig soll dieses Buch jedoch nicht einschränkend wirken. Auf zu enge Vorgaben, etwa eine Sammlung fertiger Berichts-Layouts, wurde daher bewusst verzichtet.

Das Modell bleibt skalierbar. Möglich ist eine Reduzierung für kleinere Fonds und
Direktanlagen. Für „exotische“ Konstellationen, etwa Partnerschaften und Überkreuz­beteiligungen sind eventuell weitere Ausbaustufen notwendig.

Die generelle Entwicklungsstrategie sollte anhand des gezeigten Grundmodells
sowie der Beispielfälle deutlich werden: Wichtig auf der strategischen Controlling-Ebene sind klare und effiziente Strukturen. Im Detail müssen alle verwendeten Daten und Kennzahlen exakt definiert werden. Eine sinnvolle und sichere Nutzung der Ergebnisse wäre andernfalls kaum möglich. In einem Exkurs werden die vielfältigen Varianten und Wirkungen am Beispiel der Kennzahl "Effektivmiete" ausführlich und nachvollziehbar präsentiert.

Das hier vorgestellten „Modul“ des Immobiliencontrollings soll keine Insellösung erzeugen. Übergeordnetes Entwicklungsziel bleibt ein ganzheitliches Controllingsystem für Immobilienportfolios. Das Reporting kann davon nur einige Aspekte abdecken. Perspektivisch ist die Controlling-Tool-Box um weitere Module zu ergänzen. Wir werden weiter daran arbeiten.

Wir würden uns freuen, wenn unsere Reihe bei Immobiliencontrollern, Investoren, Fondsmanagern, Beratern, Softwareanbietern und allen anderen Interessierten eine interessierte und kritische Leserschaft findet. Sicher sind einige Ideen neu und noch nicht abschließend getestet. Andere Rahmenbedingungen werden weitergehende Lösungen erfordern. Unter www.immobiliencontrolling.de werden wir gern über
weitere, aktuelle Studien berichten.

Wir wünschen Ihnen eine angenehme und nützliche Lektüre. Über einen regen
Austausch zu Erfahrungen und Ideen würden wir uns freuen.

 

Steffen Metzner, Meike Opfermann, Doreen Witzel
Leipzig, Sommer 2008


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